Abstraktion

Abstraktion

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Ab|strak|ti|on 〈f. 20
1. Verallgemeinerung zum Begriff, Begriffsbildung
2. allgemeiner Begriff
[zu lat. abstrahere „wegziehen“]
Die Buchstabenfolge ab|str... kann in Fremdwörtern auch abs|tr... getrennt werden.

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Ab|s|trak|ti|on [lat. abstrahere, abstractum = fortschleppen, wegreißen]: in der Chemie die Entfernung eines einzelnen Substituenten, z. B. eines H-Atoms bei der sog. univalenten Dehydrierung.

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Ab|s|trak|ti|on, die; -, -en [spätlat. abstractio] (bildungsspr.):
a) das Abstrahieren (1):
zu keiner A. fähig sein;
b) verallgemeinerter, unanschaulicher Begriff:
eine A. aus etw. gewinnen.

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Abstraktion
 
die, -/-en, Denkvorgang bei der Bildung von Begriffen und Gesetzen, gekennzeichnet durch das stufenweise Heraussondern bestimmter Merkmale in der Absicht, das Gleichbleibende und Wesentliche verschiedener Gegenstände zu erkennen; auch das Ergebnis des Abstraktionsprozesses. Bei der generalisierenden Abstraktion werden die relevanten gemeinsamen Merkmale verschiedener Gegenstände oder Klassen herausgehoben, wobei von den unwesentlichen, sich unterscheidenden abgesehen wird. Bei der isolierenden Abstraktion wird einem einzelnen Merkmal oder einer Relation Selbstständigkeit verliehen, und zwar durch Abziehen alles dessen, was davon verschieden ist. Die idealisierende Abstraktion zielt auf ideale Modelle. Welche Merkmale für wesentlich gehalten werden, hängt einerseits von der sachlichen Fragestellung, andererseits von Aufmerksamkeit, Interesse, Einsicht und Bildung ab. Man kann eine Abstraktion immer weiterführen und bis zu allgemeinsten Begriffen gelangen; Beispiel: Hund, Tier, Lebewesen, Seiendes, Etwas. Die Fähigkeit zur Abstraktion ist eines der Merkmale der Intelligenzentwicklung (Lernen).
 
Wissenschaftsgeschichtlich begegnet die Abstraktion erstmals bei Sokrates in seinem ständigen Fragen nach dem allgemeinen Wesen der einzelnen Tugenden und der Tugend überhaupt. Aristoteles bestimmt bereits ihre Methode, und zwar als Aphairesis, als »Wegnahme« der unwesentlichen Eigenschaften eines konkreten Dinges, und als Epagoge, als »Heranführen«, als Übergang vom Speziellen zum Allgemeinen. In der antiken und in der mittelalterlichen Philosophie ist Abstraktion immer Wesensschau aufgrund einer angenommenen apriorischen Anlage des Geistes (»angeborene Ideen«, »schöpferischer Verstand«). Die Frage nach der Qualität der Abstracta, also der Allgemeinbegriffe, führte zum nie entschiedenen Universalienstreit. Der neuzeitliche Abstraktionsbegriff (etwa des Empirismus bei J. Locke) verzichtet auf Wesenserkenntnis und fragt nur nach den Formen der Vorstellungsverknüpfung. Ergebnis der Abstraktion ist hier der Prädikator (Prädikat). D. Hume stellt dafür Assoziationsgesetze auf, die sich auf die raum-zeitliche Verbindung der menschlichen Wahrnehmungen stützen. Die induktive Logik (J. S. Mill, W. Wundt) hat die Abstraktionsmethoden vervollkommnet. E. Husserl vertiefte sie durch die Methode der Reduktion und der Ideation. Im Rahmen der Sprachphilosophie und Logik entwickelte P. Lorenzen im Anschluss an G. Frege eine Theorie, wonach man das Reden über abstrakte Gegenstände als eine Sonderform des Sprechens über konkrete Gegenstände interpretieren kann.
 
In der Mathematik sind die Äquivalenzrelationen wesentliche Grundlage mathematischer und formallogischer Abstraktionsprozesse und die Äquivalenzklassen die Ergebnisse derartiger Prozesse (Abstraktionsprinzip). In der Physik sind die verschiedenen Analogiemodelle (Analogie) sowie alle anderen physikalischen Modelle (z. B. die verschiedenen quantenmechanischen Atom- und Kernmodelle) die Ergebnisse physikalischer Abstraktionsprozesse.
 
 
B. Erdmann: Logik (1923);
 W. Wundt: Logik, 3 Bde. (51923-24);
 D. O. Hebb: The organization of behavior (New York 1949);
 A. N. Whitehead: Wiss. u. moderne Welt (a. d. Engl., Zürich 1949);
 P. Lorenzen: Gleichheit u. A., in: Ratio, 4 (1962);
 H. J. Schneider: Histor. u. systemat. Unterss. zur A. (Diss. 1971);
 E. Husserl: Log. Unterss., 2, 1 (61980);
 J. Locke: Versuch über den menschl. Verstand, 2 Bde. (a. d. Engl., 41981).
 

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Abs|trak|ti|on, die; -, -en [spätlat. abstractio]: a) das Abstrahieren (1): zu keiner A. fähig sein; b) verallgemeinerter, unanschaulicher Begriff: eine A. aus etw. gewinnen.

Universal-Lexikon. 2012.

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